"Sie sind ja sooo süß!"

Paper NunsEs ist wieder passiert. Nach den Laudes sprach mich eine Dame (Hausgast) vor der Kapelle an, wünschte mir einen guten Morgen und fragte freundlich nach meinem Namen. Natürlich sagte ich ihn ihr. Ihre Reaktion – anstatt sich vielleicht selbst auch vorzustellen: „Ach Gott, wie süß!“. Nun gut, dachte ich mir, bleib ruhig … Dann gingen wir an den Bildern des aktuellen Konvents vorbei und sie deutete auf die Fotos und meinte „Ach, Sie sind ja alle sooo süß!“. Es fiel mir schwer, mich dann noch höflich zu verabschieden (hoffe, es einigermaßen hinbekommen zu haben), denn ich war ziemlich geladen. Solche Situationen kommen immer wieder vor. Nicht ganz so häufig in solcher Deutlichkeit. Vorweg eines: ich mag die meisten Gäste! Denn viele nehmen spürbar etwas mit (oder lassen etwas von ihren Lasten hier), wenn sie mit uns beten, gehen nach einigen Tagen erfrischter, befreiter weiter. Das ist wunderschön und ein Privileg, es miterleben zu dürfen!
Manche der Gäste verlieren sich zuweilen meditierend im Anblick der Schwestern … das überrascht mich immer noch, doch es ist auch schön – und ich frage mich immer wieder, was diese Menschen wohl in uns zu sehen vermögen, wofür wir für sie stehen. Und was sie in mir konkret zu sehen vermögen. Vieles sehe ich selbst vermutlich nicht. Was mich jedoch nur schwer ruhig bleiben lässt, sind die Damen – und es sind bis auf einen Mann immer Frauen! –, die uns mit stolz-verklärten, ja verliebten Blicken permanent anstarren, in etwa so, wie die in ihre Enkelkinder vernarrte Großmutter jene anblickt. Die meisten dieser Frauen fassen es nicht so deutlich in Worte, doch aus ihrer Haltung spricht auch „ach, wie süß die Schwestern sind!“. Manche gehen gar so weit und versuchen, den Konvent zu adoptieren, indem sie jeder einzelnen Schwester – auch jenen, die sie gar nicht kennen und zu denen keine persönliche Beziehung besteht – persönliche Weihnachtspäckchen schicken (und nicht dem Konvent insgesamt, was ja ok wäre und viele liebe Menschen tun, die dem Kloster aus verschiedenen Gründen verbunden sind).
Nun bin ich ja immer noch dabei, mich an dieses „Schwestersein“ zu gewöhnen. Und rede insofern mitnichten aus langjähriger Erfahrung. Doch mir gehen derartige Erfahrungen nahe, im unguten Sinne. Denn ich empfinde solche Worte und auch solche Blicke als respektlos und übergriffig. Alle Schwestern sind erwachsene, gestandene Frauen, die sich nun mal für eine bestimmte Lebensform entschieden haben. Aber doch keine kleinen Kinder, die man betüddeln dürfte oder müsste!
Sicher kann man argumentieren, es sei gut gemeint. Gewiss mag auch gute Absicht dahinter stecken. Doch es hat auch etwas von „sich selbst aufdrängen“. Ich merke allmählich, dass ich keine Privatperson mehr bin wie zuvor. In Ordnung, das gehört dazu. Dennoch bin ich nicht – und schon gar nicht ungefragt – öffentliches Eigentum von Klosterfans und muss nicht zu allem dankbar „Ja und Amen“ sagen. Und: „süß“ dürfen mich gern mir nahestehende Menschen nennen, wenn sie denn einen Grund dazu sehen – aber auch nur die!

3 Gedanken zu „"Sie sind ja sooo süß!"“

  1. Danke für die Berichterstattung, so unmittelbar nach dem Aufeinandertreffen.
    Du beschwerst Dich mit Recht, weil dieses "süß-Gefühl" nur durch fehlerhafte Brillen vermittelt wird.
    Ein ganz falsches Bild vom Ordensleben, womöglich selbst der Wunsch zumindest zeitweise gehabt, in einer zuckersüßen, puderzuckerbestäubten Gemeinschaft zu leben.
    Ob man wirklich in einer Gemeinschaft leben wollte, in der ein Leben ohne Ecken und Kanten in größter Eintracht herrscht, sei dahingestellt.
    Vielleicht ist es mal an der Zeit eine FAQ zu entwickeln, mit der auch die Frage beantwortet wird "warum wir nicht zuckersüß sind" und und und…

    Antworten
  2. Danke, Ihr Lieben!
    Und @Markus: ja, wenn ich mal viel Zeit hab, denk ich mal über FAQs nach … bis dahin reg ich mich auf gewohntem Wege auf oder vielmehr wieder ab 😉 Es stimmt schon, was Du sagst: hinter diesen Blicken steckt sicher ein unrealistischer Blick bzw. eine Wunschvorstellung von dem, was Gemeinschaft in deren Augen ausmachen soll. Dass der nicht der Wirklichkeit entspricht – ich vermute, entweder wissen sie es wirklich nicht oder, eher, wollen es nicht wahrhaben, weil es ja so schön ist, gelegentlich mal in die heile Welt der Schwestern einzutauchen. Quasi als Gegengewicht zur eigenen nicht-heilen Welt. Dass unsere auch nicht heil ist, nun ja …

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Wüstenzeit Antworten abbrechen