Nach einer ersten kleinen Tour durch die Innenstadt von Perth inkl. Ankauf einer Sim-Karte merkte ich heute früh, dass ich noch immer total erschöpft bin. Zudem zog wieder Regen auf. Also kurzentschlossen Planänderung, ab auf die Fähre nach Freemantle, da sitzt man, sogar trocken und wird überdies mit zahlreichen Erklärungen eineinviertel Stunden herumgefahren.
Die Erholungspause war gut. Doch die Fahrt über den Swan River ist desillusionierend. Das einst sicher schöne Ufer ist fast lückenlos bebaut mit Häusern der obersten Preisklasse, nur einige nach meinem Empfinden gelungen gestaltet. Etwas anderes – außer den vielen Sportboothäfen – sieht man kaum vom Wasser aus. Insofern bestanden die Erklärungen auf der Fahrt überwiegend darin, dass auf besondere Häuser hingewiesen wurde (soweit ich es verstanden habe, gehörten die meisten davon Leuten, die groß im Minengeschäft tätig sind), welches wieviel gekostet hat oder wie viele Badezimmer eingebaut sind. Das fand ich eher nicht so spannend, und nach meinem Eindruck die meisten anderen Passagiere auch nicht. Dennoch: es war ganz gut, diese Fahrt zu machen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie weit Perth an sich von der Küste entfernt liegt. Der Handelshafen (und der Fischereihafen auch) ist nämlich in Freemantle. Ich fand ihn erstaunlich klein, doch vielleicht habe ich nicht alle Löschplätze gesehen.
Freemantle ist eine Kleinstadt, in der viele schöne Gebäude im viktorianischen Stil erhalten sind. Alles ist ruhiger als in Perth, beschaulicher. Bei einem Spaziergang durch die Stadt stieß ich auf die St.John-Church (anglikanisch), in der ein Ehrenamtlicher Dienst hatte. Schnell kamen wir ins Gespräch, und nach der Geschichte der Kirche gefragt, erzählte er gleich eine ganze Stadtgeschichte mit größter Begeisterung. So weiß ich nun, dass die Stadt teils auf Sand steht, der ziemlich oberflächennah vom Wasser des Flusses durchspült wird, teils auf Dünen, die man der Bebauung wegen nicht mehr sieht, teils auch auf einem Sumpf. Jedenfalls gedeiht im Boden dieser Gegend absolut nichts Essbares, wodurch viele der frühen Siedler wieder fortgezogen sind. Ob der guten Unterhaltung vergaß ich ganz, Innenfotos der Kirche zu machen 😉 Macht nichts, es ist viel interessanter, die Geschichten der Menschen zu hören.
Im Anschluss besuchte ich das Freemantle Prison, ein altertümliches Gefängnis, das tatsächlich bis 1991 in Betrieb war, bis ein blutiger Aufstand der Gefangenen dafür sorgte, dass Menschlichkeit auch Häftlingen zugestanden wird. Heute gibt das Gefängnis einen guten Einblick in dunkle Kapitel australischer Geschichte. Gebaut wurde es von aus England verbannten Häftlingen, die dafür die Schiffe, die sie herbrachten, zerlegten – Türen, Geländer, Hängematten, alles stammt von Schiffen des 19. Jahrhunderts. Die Haftbedingungen, die eine versierte Führerin schilderte, waren unvorstellbar grausam und entwürdigend, bis zuletzt. Sowohl von den Regeln her als auch wegen der Umstände. Lange Zeit waren zwei Gottesdienste pro Tag verpflichtend, damit die Häftlinge Buße tun konnten und, so glaubte man, der Hölle entkamen. An Wochenenden wurde man stundenlang in die prallen Sonne gezwungen, ohne Schatten (bis 1970). Selbst in den 1980er Jahren gab es keine Toiletten, nur Eimer für mehrere, aber nur zweimal pro Woche Duschen und frische Bekleidung, auch im heißen Sommer. So grassierten dauernd Seuchen, bewohnen noch immer alle Arten von Schädlingen die Mauern … es soll über zweieinhalb Jahre gedauert haben, bis der Gestank nach der Schließung ausgelüftet war. Dazu kam die Mangelernährung, denn da in diesem Boden nichts richtig gedeiht, gab es kein Gemüse etc. Gewalt und – nach Aufhebung der Rassentrennung – rassistische Übergriffe waren an der Tagesordnung. Die Gruppe der Führung wurde angesichts all dessen zusehends stiller und verstummte fast, als man uns zum Schluss die Isolationszellen, die einer Folter gleichkamen, den Ort der Auspeitschungen (bis 1964) und der Hinrichtungen (auch bis 1964) zeigte. In der Kürze bleibt für mich wieder einmal die Fassungslosigkeit: was können Menschen einander antun, ohne mit der Wimper zu zucken, ja zum Teil noch mit der festen Überzeugung, etwas zur Besserung beizutragen …
Danach brauchte ich etwas Stille, fuhr später mit der Bahn nach Perth zurück und besichtigte nach einem längeren Spaziergang noch die St. Mary‘s Cathedral, eine katholische Kirche, die man im Zuge einer Umgestaltung modern erweitert hat. Ich denke, die Bilder sagen mehr als langatmige Beschreibungen. Nur noch eines: sehr berührt hat mich der Gedenkaltar für die Opfer der beiden MH-Flüge, den ich nach einigem Zögern doch fotografierte.
Bilder:
1. Ein kleiner Teil des berühmten Kings Park in Perth
2. Uferbebauung
3. Für die Segler ist der Swan River sicher ein wunderbares Revier!
4. Hafen Freemantle
5.-7. Gebäude in Freemantle
8. Freemantle Townhall
9. St. John‘s Anglican Church
10.-12. Freemantle Prison
13. Central Fire Station Perth (heute eine Schule zur Brandbekämpfung)
14.-18. St. Mary‘s Cathedral – wem fällt bei der Außenaufnahme etwas auf?
19. Palais des Erzbischofs (wenn ich es richtig verstanden habe) … wer möchte angesichts dieses Hauses nicht auch mal Bischof sein?
20.-21. Das Wohnzimmer, in dem ich es mir gerade gemütlich mache, all dies schreibe, die Einkaufsliste für morgen aufsetze und einfach den Tag ausklingen lasse
PS: Liebe Geburtstagskinder, Ihr seid nicht vergessen! Doch wenn Ihr nicht zu Hause seid, ist es schwer, Euch ein Ständchen zu singen. Vielleicht morgen, genießt den Tag!
Ich überlege die ganze Zeit, was mir bei St. marys auffallen soll…..
Guck mal auf die Türme …
Der eine ist neu, der andere alt?
Jepp 🙂
Nun bist in einer anderen Welt angekommen. Ich werde Deine Berichte lesen und vorallem bestaunen. Die Bilder sind toll. Ich wünsche Dir, dass Du auf Deiner Reise überall nette Menschen antriffst, die Dich herzlch aufnehmen.
Bleib´behütet! Katharina