16.09.14 Wüstenfieber

Der Tag begann mit körperlichem Fieber, sicher ein Ergebnis der Erschöpfung von gestern. Trotz knapp 12 Stunden Schlaf fühlte ich mich so schlapp, dass ich erst dachte, ich könne nicht weiterfahren. Dazu hatte ich Horror vor noch so einem Tag wie gestern. Aber was nützt es, in der Wildnis stehen zu bleiben, zumal mein Permit (Genehmigung, diese Strecke zu befahren) bis zur Grenze nur noch drei Tage gilt … Also habe ich es zunächst langsam angehen lassen, etwas Ibuprofen eingeworfen und mir anschließend im Roadhouse ein großes Frühstück mit Bacon & Eggs gegönnt. Danach ging es mir deutlich besser, was meinen Verdacht bestärkte, dass ich in den vergangenen Tagen einfach zu wenig gegessen habe.

Um 8.45 bin ich aufgebrochen und diesmal war die Fahrerei deutlich entspannter. Die Strecke begann auf einer asphaltierten Landebahn, denn die Straße bei Tjukayirla ist zugleich Notfallflugplatz des Flying Doctors Service. Auch ansonsten war der Weg überwiegend passabel, nicht ohne Tücken, vor allem auf den geschotterten bzw. felsigen Etappen; jedoch relativ angenehm, wenngleich rutschig, auf den sandigen Abschnitten. Insgesamt war ein Reisetempo von 80-100 km/h drin und ich merkte, dass die Waschbrettstrecken (das sind Strecken, wo die ganze Straße mit kleineren Querrillen, ca. 5-7cm tief, selten tiefer, überzogen ist, eben wie ein Waschbrett – das entsteht irgendwie durch Wind und Wetter, glaube ich) mit höherem Tempo angenehmer sind, einfach weil der Wagen nicht mehr in jede kleine Lücke hineinfährt. Im Gegensatz zu gestern, wo ich bestimmt 20 anderen Fahrzeugen begegnete, waren es heute höchstens sieben oder acht. Die Straße wird, je tiefer es in die Wüste hineingeht, immer leerer. Die Autowracks (ein üblicher Anblick) zahlreicher. Und die Landschaft immer schöner … aber ich wiederhole mich in diesem Punkt pausenlos, doch die Schönheit tut’s ja auch. Das Wetter machte die Reise angenehm, denn ausnahmsweise war es stark bewölkt, wodurch die heiße Luft (über 30℃, drückend) etwas erträglicher war. Dafür sah ich heute das erste Buschfeuer, sympathischerweise direkt neben der Straße … da hab ich aber schnell gemacht, dass ich wegkam!

Erste Zwischenstation war Warburton, Aboriginal-Community und Roadhouse, wo ich erstmal das Feuer meldete, von dem man dort noch nichts wusste. Schon viele Kilometer vorher wird mit großen Schildern davor gewarnt, in dieser Gegend sein Fahrzeug und Wertgegenstände unbeaufsichtigt zu lassen. Dazu gehören hier auch Benzinkanister, sie sind wohl die begehrteste Beute, denn Benzinschnüffeln als Sucht ist weit verbreitet. Deswegen wird der örtliche Campingplatz mit Stacheldraht, Wachhunden und Wächtern geschützt, deswegen werden dort Benzinkanister über Nacht in einer Art Tresor eingeschlossen, deswegen können hier benzinbetriebene Autos auch nur Opal kaufen, das ist ein besonderes Benzin, welches nicht geschnüffelt werden kann. Tanken ist in der Region auch anders – man muss erst ins Roadhouse hineingehen, seinen Wunsch anmelden, sagen, wieviel man ungefähr braucht, sodann wird man zu der Zapfsäule geleitet, in der noch genügend Diesel ist, der Mitarbeiter hat inzwischen den Schlüssel geholt und öffnet den Eisenkäfig, der hier um jede Zapfsäule montiert ist, betankt das Auto, schließt danach wieder sorgfältig ab. Barzahlung empfiehlt sich, denn mit Kreditkarte, wenn überhaupt akzeptiert, kostet es noch einmal ein paar Prozente extra. Die Preise bewegen sich inzwischen bei rund 2,30$ pro Liter – klar, der muss ja mühsam herangeschafft werden.

Auf halber Strecke zwischen Warburton und dem Warakurna Roadhouse liegt ein sehr schön gelegener Rastplatz, ausgestattet mit Schutzhütte, Wassertank und Toilette, etwas abseits der Straße auf einem Bergrücken. Eigentlich hatte ich mir diesen Ort als Übernachtungsziel ausgeguckt. Doch als ich ankam, fuhr gerade ein anderer Camper weg. Ich habe mir den Platz angesehen und irgendwie Angst bekommen, dort dann allein zu bleiben … insbesondere auch nach all den Schildern rund um Warburton, das noch relativ nah lag. Da ich nicht damit rechnen konnte, dass da noch jemand anders sein Nachtlager aufschlägt, habe ich die Strecke nach Warakurna drangehängt – und wurde belohnt mit wilden Kamelen und Dingos (die angesichts des satten Dieselmotors allerdings hinter den Büschen verschwanden und auch nicht mehr hervorkommen wollten für ein Foto) sowie der atemberaubenden Kulisse der Rawlinson Range.

Nach heute über 450km bin ich nun auf einem kleinen, netten Campground, der kaum besucht ist. Inzwischen befinde ich mich, wenngleich noch in Westaustralien, schon in der neuen Zeitzone, 1,5 Stunden der westaustralischen Zeit voraus. Laverton, das letzte Städtchen am Asphalt, ist 795km entfernt, Yulara, die Siedlung unweit des Ayers Rock, knapp 500km. Wieviel Strecke schon hinter mir und dem Auto liegt, lässt sich am Grad der roten Einstaubung sehen. Alles ist voller Sand, wie ich die Schuhe jemals wieder davon befreit bekomme (ok, bin selbst dran schuld, was stolpere ich auch durch eine Sanddüne), weiß ich nicht, der rote Sand sitzt in jeder Pore.
Es geht mir besser als morgens, darum gab es heute ein fürstliches Abendessen mit allem, was die Kühlbox so hergibt. Dabei leisteten mir später drei Biker Gesellschaft, die ich schon in Warburton getroffen hatte. Sie berichteten bedrückt vom Unfall ihres vierten Mitfahrers, der gestern auf einer sehr selten befahrenen Piste (im Schnitt 50 Fahrzeuge jährlich!) weiter nördlich schwer gestürzt war, sich Wirbel angebrochen hatte und daraufhin nachts von den Flying Doctors nach Perth ausflogen wurde. Das Motorrad bleibt übrigens bis zum nächsten Winter nahe der Unfallstelle liegen, gut versteckt im Gebüsch, das ist übliche Praxis hier, denn holen kann man es von dort ab Oktober nicht mehr … es wird einfach zu heiß sein.

Morgen geht es in Richtung Ayers Rock. Ich mache mir im Moment etwas Sorgen ums Wetter, denn es ist nach wie vor wolkig und stürmisch, und die Strecke von der Grenze an soll schon bei wenig Regen unpassierbar werden. Hoffentlich bleibt es trocken!

Dann muss ich leider noch das teilweise Ableben meines Handys vermelden. Ihm ist nichts geschehen, aber trotz Netz baut es weder mit der deutschen noch mit der einheimischen SIM-Karte eine Verbindung auf. Ich habe es auch zurückgesetzt auf die Werkseinstellungen, dennoch bleibt der Netzwerkstatus „außer Betrieb“, obwohl andere hier Netz haben und alle Einstellungen stimmen. Da ist wohl der Funkempfänger kaputt, und das bei einem gerade mal zwei Monate alten Gerät 🙁 Notgedrungen werde ich in Yulara oder spätestens in Alice Springs nach einem neuen Gerät Ausschau halten. Zum Glück habe ich für Notfälle noch das andere Telefon, nur kann ich damit nicht ins Internet.

Bilder:
1. Kreativ hergerichtetes Autowrack
2.-3. Desert Surf Central genannte spektakuläre Klippen
4. Buschfeuer
5. Hinweisschild vor Warburton
6. Fast endlose Weite
7.-10. Ein paar der Blumen am Wegesrand … leider hat es in diesem Winter zu wenig geregnet, deswegen gibt es nur wenige Blumen
11. Mottoschild des Outback Way
12. Flussquerung, aber da es diesen Winter nicht viel geregnet hat … (s.o.)
13. Noch mehr Weite, hinter Warburton
14. Eines der Rätsel des Outbacks, bis heute weiß niemand, wer dieser Tim Ballinger war
15. Ein Ring-tailed Dragon
16. Ich kann schon verstehen, dass die Aborigines in diesen Felsen Geschichten der Schöpfung und des Lebens lesen …
17. Einer der Masten, die das Rückgrat der Funkkommuikation im Outback bilden
18.-20. Im Zufahren auf die Rawlinson Range, bei 18. ist gut zu sehen, was für eine Staubwolke jeder Wagen hinter sich lässt – hat Vorteile, man sieht Gegenverkehr oft schon Kilometer im Voraus, auch hinter Kuppen
21.-24. Staub. ÜBERALL.

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