17.09.14 Wetterballons, Wildschweine, wieder Asphalt

Nach einer sehr drückenden Nacht, die einfach nicht kühler werden wollte, begann der Tag gleich mit dem Wetter. In der Giles Weather Station, einer der abgelegensten Wetterstationen der Erde, die auch in Warakurna liegt (und in den 50er Jahren gebaut wurde wegen der Atomtests in Woomera), bekam ich mit vier anderen Gästen eine kleine Führung. Beim Starten des Wetterballons waren wir dabei, viel wurde uns erklärt und noch mehr gezeigt. Dazu pfiff ein scharfer Wind über die Ebene auf über 550m ü. N.N. Der Sand knirschte auch zwischen den Zähnen.

Der Ureinwohner aus der benachbarten Community erzählte mir vor der Führung noch ein wenig über seine Aufgabe dort – dafür zu sorgen, dass die Kinder zur Schule gehen, denn die Familien halten sie meist nicht dazu an … Schon in Kalgoorlie, wo ebenfalls viele Aborigines leben, war mir ein rigider Umgang mit Schulschwänzern aufgefallen. Dort hing an fast allen Geschäften der Hinweis, dass die Polizei gerufen wird, wenn Schüler dort zur Schulzeit auftauchen. Ähnlich sei es in Warakurna, hörte ich nun.

Danach machte ich mich auf den Weg nach Yulara. Heute war der Straßenzustand wieder schlechter, ab der Grenze zum Northern Territory brutal schlecht, schlimmer als vorgestern bei Laverton. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran, und als dann direkt bei den Kata Tjutas der Asphalt anfing, kam ein Gefühl von Langeweile auf. Doch der Reihe nach … nach der Wetterstation führte der Weg durch die Schwerin Mural Crescent und die Peterman Ranges über die Grenze. Vorher machte ich noch mit einem der Straßenbaupioniere Australiens Bekanntschaft, oder vielmehr mit einer Erinnerung an sein Werk: ohne den fleißigen Entdecker und Baumeister Len Beadell gäbe es wohl keine der Straßen, die heute die Lebensadern des Outback bilden. Unmittelbar nach der Grenze wartete die Ortschaft Docker River (bei den Einheimischen Kaltukatjara genannt). Gäste dürfen nur bis zum Laden in die Community, doch der ist ein Erlebnis. Vorab: hier habe ich den teuersten Diesel dieser Reise erworben, 2,35$ pro Liter! Der Laden ist ein düsterer Schuppen, jedoch gut besucht, von Mensch und Tier. Neben übergewichtigen Hunden aller Art liefen dort auch Wildschweine herum, draußen und im Laden zwischen den Regalen, wo die Leute sie nur halbherzig wegjagten, was die Tiere überhaupt nicht juckte … die Schweine waren auch noch blau angemalt auf einer Seite, ob das nun eine Markierung für oder gegen das Schlachten war, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen. Zu gern hätte ich diese Szene fotografiert, doch wieder mal Fotoverbot. Eine nette Australierin, die ich später wiedertraf, fragte nach meinem Eindruck von der Community und meinte dann trocken „the shop was pretty educational, wasn‘t it?!“

Nach Docker River begann der härteste Teil der heutigen Etappe, 200km einer überwiegend furchtbaren Sandpiste. Das Fahren war immer ein Balanceakt zwischen der notwendigen recht hohen Geschwindigkeit, um die Waschbrettrillen einigermaßen ertragen zu können (nicht nur ich, auch das Auto), und dem häufigen Ausbrechen des Wagens, weil er auf dem Sand einfach wegrutschte. Wieso kann Sand eigentlich so weich und so hart zugleich sein?

Am Wegesrand lag Lasseters Cave, die Höhle, in der der Goldsucher Lasseter (der mit dem sagenumwobenen goldenen Riff) 1931 einige Wochen während des Hochsommers Zuflucht suchte, um nicht zu verdursten; er starb jedoch kurz darauf. Kurz darauf sah ich noch einen alten Kamel-Corral, denn lange Zeit wurden die wilden Kamele eingefangen und als Lasttiere nach Asien verkauft. Ansonsten war die Natur das Ziel, die Berge, die Landschaft der Great Sandy Desert, die wunderbaren Blumen und all die Stellen, wo zwischen den Überresten der Buschfeuer wieder frisches Grün aufsprießt.

Der Höhepunkt des Tages aber war das plötzliche Auftauchen der Kata Tjutas am Horizont, wie sie dann allmählich immer mächtiger wurden. Diese letzten gut 20km der Sandpiste hatten es zwar nochmal besonders in sich, doch der Ausblick hat für alles entschädigt! Von dieser Seite nähern sich nur die wenigsten diesen imposanten Bergen – ich finde es um ein Vielfaches schöner und überwältigender als wenn man von Osten her ankommt. Erst allmählich tut sich die wahre Größe auf, und man denkt: kann doch nicht sein, doch sie wachsen und wachsen scheinbar.

Und dann irgendwann kam die Einmündung auf den Highway, nach über 1000km wieder Asphalt unter den Reifen, ganz merkwürdig. Und auf einmal wieder so viele Autos, mit Menschen darin, die nicht grüßen, sondern nur vor sich hinstarren. Ich muss sagen, diese grundsätzliche Verbundenheit unter den wenigen Reisenden in den letzten Tagen habe ich genossen. Wo man sich sah, wurde gewunken oder ein freundliches Wort gesagt, es wurde sogar aufeinander gewartet, geschaut, ob auch die anderen ankommen. Immerhin, hier auf dem Campingplatz haben sie uns fünf versandete Wagen alle in eine Ecke eingebucht. Man kennt sich. Doch die Gerüchteküche bringt eigenartige Dinge hervor. Andere Leute, die ich nur flüchtig bislang sah, fragten mich heute, ob ich die deutsche junge Frau sei, die allein einmal um Australien herum fahren will 😉

Morgen gehts zu beiden „Steinen“ … ich gönne mir einen Tag Pause und fahre nur ein wenig in den Nationalpark. Ich muss sagen: ich bin ganz schön stolz auf mich, dass ich diese Etappe, den ersten Teil Wüste, so gut geschafft habe. Ohne nennenswerte Schäden, mit heilen Reifen. Es war trotz des schweren Anfangs eine gute Zeit, in der ich viel Freiraum zum Nachdenken hatte, und darum freue ich ich auch auf die nächste Etappe jenseits der vielbefahrenen Wege 🙂

Übrigens: das Telefon hat beschlossen, heute Auferstehung zu feiern. Und dafür lösche ich alles, verliere teils aktuell nachgetragene Telefonnummern …

Bilder:
1.-4. Giles Weather Station, die Rakete auf dem vierten Bild ist ein Fehlläufer aus Woomera, der in den 80ern in der Nähe versehentlich einschlug.
5.-18. Entlang des Weges zur Grenze, davon 15.-16. Baum mit der Plakette für Len Beadell
19.-21. Infos an der Grenze
22.-23. Lasseters Cave
24.-27. Sandwüste, verbrannte Bäume, frisches Grün und wunderbare Blumen
28.-32. Kata Tjuta taucht allmählich auf
33. Einmündung auf den Highway, Ende der Sandpiste
34.-36. Kurzer Ausflug in die Walpa Gorge und 36. Blick dorthin, wo ich hergekommen bin, nach Südwesten (im Hintergrund zu sehen: Petermann Ranges)
37. müdes Selfie
38. Noch rasch einen Roadtrain digital bannen
39. Nochmal Kata Tjuta
40. Und da ist auf einmal auch der Ayers Rock … als habe Gott bei der Schöpfung irgendwie ein Stück Felsen in der Ebene verloren …

1 Gedanke zu „17.09.14 Wetterballons, Wildschweine, wieder Asphalt“

  1. Hallo Joey,

    Deine Frau Mama hat mir den link zu Deinem Blog geschickt und jetzt lese ich hochinteressiert und gespannt, wie es Dir bei Deiner Reise ergeht. Gudrun und ich wünschen Dir viele tolle Eindrücke, neue Selbsterkenntnisse, dass Dein versoffenes Gefährt durchhält und Du eine Menge netter Menschen triffst. Und dass dieser Trip für Dich ein unvergessliches Erlebnis wird.

    Bis dann – and take care!!!!

    Michaela

    Antworten

Schreibe einen Kommentar