This I believe? Zweifel.

Manchmal bahnen sie sich langsam an. Manchmal kommen sie von einem Moment auf den anderen. Zweifel im Glauben. Nicht beten können. Leere. Nicht mehr glauben können. Gottesferne. Darüber wird meistens nicht gesprochen, öffentlich, im Gottesdienst womöglich, schon gar nicht. Allenfalls noch im geschützten Raum der Seelsorge oder unter guten Freunden, doch wie oft bleibt auch dort der Zweifel, das Hin- und Hergerissensein zwischen Glauben und Nichtglauben ausgespart … Entweder finden sich gar keine Worte für die eigenen Zweifel (und wie schwer ist es, etwas nicht mehr Vorhandenes in Sprache zu kleiden), oder es herrscht die Sorge um den Glauben der anderen, der nicht erschüttert werden soll. Und womöglich herrscht in manchen Gruppen gar die Angst, dann eines schwachen Glaubens bezichtigt zu werden.

Ich will trotz allem wagen, von den Zweifeln sprechen.

Ich weiß nicht mehr, wer er ist, dieser Gott. Stimmt, man könnte vermuten, ausgerechnet ich sollte irgendwie Ahnung davon haben. Dachte auch, ich hätte eine. Und merke nun: ich weiß nichts, gar nichts. Theologie? Hilft hier herzlich wenig. Andere Menschen? Sicher, doch mit wem darüber sprechen? Nicht ohne Grund schreibt schon der Mystiker Johannes vom Kreuz im 16. Jh. in seinen Abhandlungen über die „dunkle Nacht der Seele“ davon, dass selbst viele „professionelle“ Seelsorger nicht so genau wissen, wie sie mit der Gottesferne umgehen sollen:

… und da kommt ein geistlicher Führer, der wie ein Grobschmied mit den Seelenkräften nur zu hämmern und zu schlagen weiß, und weil er sonst nichts gelernt und nur vom Betrachten Kenntnis hat, der Seele allsogleich befiehlt: Fort, lass all diese Dinge, sie sind nur Müßiggang und Zeitverlust, nimm etwas zur Hand, betrachte und erwecke innere Akte; du musst selbsttätig sein, alles andere sind nur Träumereien und Torheiten.

Ja, es fällt vielen schwer, die Zweifel eines anderen auszuhalten. „Man muss doch irgendwas tun können“. Ratschläge sind rasch bei der Hand, v.a. solche nach Ablenkung, dem Versuch tätiger Selbsterrettung etc. Doch ich behaupte: nein, man kann nichts tun. Aus meiner sehr aktuellen Erfahrung ist der Anfang, überhaupt erst einmal dahin zu kommen zu sagen: ich zweifle, ich kann (dies / jenes / alles / …) nicht mehr glauben. Das Lassen, das Zulassen, ja auch das Loslassen meiner letzten Glaubensbröckchen ist viel nötiger. Vielleicht so, wie es Huub Oosterhuis in seinem wunderbaren, doch so schwermütigen Lied ins Wort bringt:

Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr;
fremd wie dein Name sind mir deine Wege.
Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott;
mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen?
Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen.

Von Zweifeln ist mein Leben übermannt,
mein Unvermögen hält mich ganz gefangen.
Hast du mit Namen mich in deine Hand,
in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben?
Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land?
Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?

Es kostet (gerade als „Berufschrist“) große Überwindung, wirklich zu sagen „meine Hände sind leer, dein Name, deine Wege, du bist mir fremd, Gott“. Es hat etwas von Kapitulation, rien ne va plus. Ich las einmal irgendwo, dass jemand diese Leere als den ehrlichsten Ort der Gotteserfahrung bezeichnete. Das ist wohl die größte Hoffnung, die auch noch in dieser Tiefe liegt – dass sie Gott selbst nicht fremd ist, dass Er mit mir in sie hineinfällt.

Und dann wird es doch wichtig, Verbündete zu haben, wenigstens einen oder zwei Menschen, bei denen es möglich ist, genau diese Kapitulationserklärung auszusprechen. Menschen, die bereit sind, die Tiefe der Gottesferne mit auszuhalten. Die Fragen, ohne jedes Tabu, ohne Entsetzen, Panik, Überforderung. Allein das befreit etwas. Dass da welche sind, die keine vorschnellen Ratschläge geben. Doch wachen Sinnes Wegweiser und kritische Begleiter bleiben für die nächsten Schritte, auch die Ursachenforschung. Mich im Gebet mittragen, das ich gerade nicht mehr sprechen kann. Und immer wieder sagen: die Beziehung zu Gott scheitert nicht an meinen Zweifeln. Ich bin froh und dankbar, solche Menschen zu haben, zwei an der Zahl, auch wenn drei weitere davon wissen.

Gut, nun mit der Veröffentlichung dieses Beitrags werden eine ganze Reihe mehr Menschen davon wissen. Manche werden vielleicht geschockt sein, weil sie es nicht wussten, nicht ahnten, oder einfach ein anderes Bild von mir hatten. Ok. Für Sorge um mich besteht jedoch kein Grund. Warum ich dies hier schreibe, inmitten meiner Zweifel, die mich schon so manche Nacht um den Schlaf brachten: weil ich in dieser Zeit besonders merke, wie allein man mit solchen Erfahrungen bleibt, ja, selbst inmitten der frommen Gemeinschaft der Christen. Nicht, weil es die anderen nicht verstehen könnten – ich bin sicher, jeder ehrliche Christ kann das. Sondern weil es immer noch ein ziemliches Tabuthema ist, an Gott zu zweifeln. Vielleicht helfen diese Zeilen etwas, doch den Mut zu fassen, mal mit einem vertrauten Menschen über die eigenen Zweifel ins Gespräch zu kommen. Es hilft. Und manchmal ist es jener Wegbegleiter, der das übermittelt, was Oosterhuis in der dritten Strophe seines Liedes so anrührend zusammenfasst:

Sprich du das Wort, das tröstet und befreit
und das mich führt in deinen großen Frieden.
Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt,
und lass mich unter deinen Kindern leben.
Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst.
Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.

2 Gedanken zu „This I believe? Zweifel.“

  1. Ich hatte nach der Lektüre Deiner Tweets schon etwas in die Richtung vermutet. Kann mir vorstellen, dass die Situation für Dich ganz existenziell ist. Und: Es ist richtig, dass Du hier in diesem geschützten Raum auch über Deine Zweifel schreibst. Nicht nur, weil es Dir selbst auf der Seele liegt. Es hilft auch der Leserin bzw. dem Leser. Mir zumindest aus verschiedenen Gründen gerade im Moment sehr, auch wenn meine Situation mit der Deinen nicht zu vergleichen ist. Du stehst zu Deinen Zweifeln, zu Deinen Unzulänglichkeiten, die genau durch das Dazu-Stehen nicht mehr unzulänglich bleiben. Ich lese außer Zweifeln und Ungewissheit auch eine große Kraft aus dem, was Du schreibst. Die Fassade öffnet sich und das geht nur, wenn dahinter etwas Substanzielles ist. Was auch immer es sein mag, ich wünsche Dir und bete für Dich, dass Du es finden wirst, dass sich die Knoten lösen lassen. „Du bist mein Atem, wenn ich zu Dir bete.“ – Ein wunderbares Wort. Sei gegrüßt und umarmt.

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    • Vielen Dank, dass Du so offen schreibst, dass Dir meine Gedanken auch irgendwie helfen. Auch andere schrieben Ähnliches (privat) … bin überrascht und zugleich freue ich mich sehr, dass so ein Austausch beginnt. Dass das Wissen wächst „ich bin nicht allein“, denn auch wenn der Kopf sagt „anderen ergeht es ebenso“ – gefühlt bleibt man oft allein. Danke für Deine Zeilen! Dann lass uns mal zusammen weitergehen und suchen, wer Er ist, dieser Gott …

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